JANINE EGGERT

Geometrie, Ornamentik und Industrie: Die schönen Formen von Janine Eggert von Valeska Hageney



Es teilt sich, viertelt sich, dreht sich, teilt sich wieder und spiegelt sich. Die Rede ist vom Kaleidoskop, das jeder von uns aus seiner Kindheit kennt und mit dem wir uns über Stunden fasziniert beschäftigen konnten. Das Wort Kaleidoskop stammt aus dem Griechischen und bedeutet: schöne Formen sehen. Diese schönen Formen sehen wir auch in den Arbeiten von Janine Eggert: Die Nutzung von geometrischen Formen und Kompositionen sind ihr Kommunikator um die Seh- und Perspektivgewohnheiten des Menschen in Frage zu stellen. Als Werkzeug für ihre Kommunikation dienen technische oder gefundene Gegenstände, die einerseits, wie bei den Dynamic Component (2012), ins Überdimensionale vergrößert werden können. Oft kommt es aber auch vor, dass der ursprüngliche Gegenstand gespiegelt wird und sich daraus eine neue Form bildet: bit model (2008), modular dissection (2011) oder The Alpha and Omega Project: Model (2011) sind nur einige Beispiele davon. Dabei ist der Prozess von der gefundenen Idee bis zum fertigen Kunstwerk sowohl bei Eggert als auch in der Kooperation von Janine Eggert und Philipp Ricklefs akribisch festgehalten, angefangen beim Ideenaustausch, der zu ersten Skizzen führt, bis hin zur Modelanfertigung und einem 3D-Entwurf. Erst nach den konkreten Konstruktionszeichnungen folgt die wirkliche Realisierung der Arbeit. Geometrische Formen und die daraus resultierenden Ornamente sind Bestandteil von Janine Eggerts Arbeiten. Geometrische Formen finden sich schon in der Tier- und Pflanzenwelt wieder, man denke nur an die Honigwaben, Spinnenweben oder dem Schalenmuster der Ananas. Was der Betrachter als Ornament sieht, dient in Wirklichkeit der reinen Funktion, sie sind statisch perfekte Konstruktionen. Die Industrie hat sich dieser wiederkehrenden Formen bedient, um sie für ihre Zwecke zu nutzen. Maschinenbauteile beispielsweise sind in erster Linie funktionale Gegenstände und wurden hergestellt, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Isoliert gesehen, sind viele dieser Bauteile jedoch Ornamente, die, eine Symmetrie besitzend, ein Muster ergeben. Hinter der Form von Dynamic Component (2012) verbirgt sich eine Aufnahme für ein Planetengetriebe, bei modular dissection (2011) ist es ein Bauteil am Fahrradrahmen (genauer die Aufnahme der Narbe des Hinterrads eines Fahrrads), das Eggert monumentalisiert hat und das ein wenig an Claes Oldenburgs Giant Objects erinnert. Eggerts ornamentale Skulpturen heben sich durch die Reduktion von Form und Farbe ab. Wie schon die Skulpturen und Objekte der Minimal Art streben Eggerts Arbeiten die Reduzierung auf einfache und übersichtliche geometrische Grundstrukturen an, manchmal auch in serieller Wiederholung. Die Geometrie ist Eggerts Werkzeug, um Module und Körper aufzubauen. Das Billboard von You ruined my holidays (2012) ist beispielsweise so konzipiert, dass es beliebig erweitert werden kann, ähnlich wie die gitterförmigen Cubes von Sol LeWitt. Beide Künstler beschäftigen sich mit architektonischen Rasterkonstruktionen, die auf ein Minimum reduziert werden. Janine Eggert spielt in dieser Arbeit auf die riesigen Werbetafeln an, wie man sie von dem amerikanischen Strip her kennt und mit der sich schon Robert Venturi in dem Buch Learning from Las Vegas auseinandersetzte. Nicht nur reduzierte Formen, sondern auch reduzierte oder monochrome Farben finden sich in der Minimal Art. Dieser Gedanke von reduzierter Form und Farbe ist auch bei Eggert entscheidend, hat sie sich doch bewusst dazu entschieden, die Vorderseite der Skulptur Dynamic Component (2012) in ihrem Rohzustand zu belassen. Durch das schwarze MDF bleibt der Bezug zum maschinellen Gegenstand bestehen, ohne zu einem rein aparten dekorativen Objekt zu werden. Durch die Neon-Lackierung auf der Rückseite wird dem Objekt dennoch wieder Farbe zugeführt: Hängt die Skulptur, reflektiert die Lackierung an die Wand und strahlt in den Raum zurück. Eggerts Arbeiten verweisen auf eine große Affinität zu Neonfarben, tauchen sie doch immer wieder in ihren Objekten und Papierarbeiten auf. Generell sind Farben, auch wenn manchmal versteckt, für Eggert aber auch Eggert/Ricklefs Arbeiten, ausschlaggebend. Ganz im Sinne der Konkreten Kunst konzentrieren sich XEROX petit (2011) und Broken Figure of Thought (2012) auf das Zusammenspiel von Form und monochromer Farbe. Es wäre jedoch zu einfach, Eggert und Eggert/Ricklefs ausschließlich in die Konkrete Kunst einzuordnen, finden sich doch viele Verweise auch auf die Abstrakte Kunst wieder. Die meisten Arbeiten entspringen einem vorhandenen Ursprungsobjekt und stellen Abstraktionen realer Gegenstände dar (z. B. The Alpha and Omega Project, 2011, modular dissection, 2011, bit Model, 2008, Broken Figure of Thought, 2012) oder geometrischer Figuren (z. B. XEROX petit, 2011, Diner Studies, 2011) die hier entfremdet wurden. Anders als in der Konkreten Kunst beziehen sich diese Werke auf etwas real Vorhandenes und sind nicht nur geometrisches Konstrukt. Genau damit spielen die Arbeiten von Janine Eggert. Der Künstlerin ist daran gelegen, dass der Betrachter die logischen Rückschlüsse auf die Arbeiten ziehen kann und nach deren Ursprung sucht. In den kollaborativen Arbeiten von Eggert/Ricklefs spielen Wissenschaft und Dialog mit dem Betrachter eine erhebliche Rolle, manchmal sogar auf ironische Weise, wie bei der interaktiven Arbeit The Human Kind (2011): Ein Teppichmesser, das an diversen Zahnrädern befestigt ist, wird durch die Hebeldrehung des Agierenden immer weiter in Richtung des Luftballons gekurbelt, bis er den Ballon irgendwann mal zerstechen wird. Obwohl wir zwar wissen, was passieren wird, wenn wir lange genug an der Kurbel drehen, liegt es wohl in unserem menschlichen Verhalten, dass wir es trotzdem tun. Würde der Ballon zerplatzen, wäre das Kunstwerk zwar abgeschlossen, doch sein Sinn des kollektiven Aktes, erfüllt. Auch Voices from the Universe (2011) wird erst durch die Interaktion mit dem Betrachter zu einem vollendeten Werk. Die beiden gegenüberstehenden Skulpturen sehen nicht nur wie zwei Parabolspiegel aus, sondern übernehmen auch deren Funktion. Ein Werk wird erst dann komplett, wenn der Betrachter den Raum und dessen Arbeit nachvollzogen hat. Eggert, aber auch Eggert/Ricklefs spielen bewusst mit den Sinnen des Betrachters. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, auf alles logische Rückschlüsse ziehen und den Ursprung herausfinden zu wollen. Was soll The Dynamic Sublime Device (2012) wohl darstellen? Haben Untitled (2011) und The Alpha and Omega Project: Model (2011) irgendwas gemeinsam? Gerne würde man die zerlegten Einzelteile von XEROX petit (2011) wieder zu seinem ursprünglichen Element zusammenbauen, ebenso faltet der Betrachter gedanklich den Broken Figure of Thought (2012) automatisch wieder zusammen, wie das Kaleidoskop es tut. Nur eben in die entgegengesetzte Richtung.
Valeska Hageney